Die Rettung

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Klimaclub Global – Workshop zur Letzten Option:
Eröffnungsbotschaft
Motto: „And my heart will go on and on“
Ort: Koror, Palau Pacific Resort
Datum: Jederzeit ab sofort
Rede des/r Weltclubvorsitzenden

Hoher Repräsentant Palaus, liebe Mitglieder und Mitgliederinnen, sehr verehrte Einheimische und weiteres Publikum weltweit an den Monitoren!

Es ist mir eine ganz besondere Ehre und Freude, Sie und Euch alle hier in Koror im schönen Inselstaat Palau zu unseren „Tagen der letzten Option“ so massiv versammelt und connected zu wissen, während das Vollmond zu dieser späten Stunde wundervoll leuchtend durch die Fenster unseres Sitzungssaals hereingrüßt. Jemand oder jefraud muss da eine Bestellung nach oben erfolgreich versandt haben, dass wir mit solch rotundem Glanz bedacht werden, denke ich.

Ich bin zudem außerordentlich dankbar, Sie und Euch, liebe respektable Delegierte, liebe Freunde und Freundinnen, so zahlreich und ganz persönlich hier im Kongress der wunderbaren Anlage des Palau Pacific Resort erschienen zu sehen, was unserem gemeinsamen Anliegen, das dräuende Armageddon abzuwenden oder wenigstens guten Gewissens einen aufschiebenden Beitrag hierzu zu leisten, noch einmal, vielleicht ein letztes Mal, wer weiß, einen ganz besonderen Ruck verleihen kann und soll.

Ich darf bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass nebenan im gläsernen Green Room eine Ausstellung eingerichtet wurde, wo wir die noch vorhandene palauische Flora und Fauna, geologische Exponate inbegriffen, studieren und bewundern können. Machen Sie bitte davon am Rande unserer Tagung rege Gebrauch! Leider ist es uns noch nicht gelungen, die in der Kolonialzeit, also in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, zu anthropologischen Forschungszwecken entwendeten Schädel und Knochen papalagischer, pardon, palauischer Einheimischer in die Ausstellung zu integrieren. Wir sind hierüber jedoch vor allem mit der Deutschen Regierung im Benehmen und hoffen auf diesbezügliche Fortschritte, insbesondere auf eine baldige Rückgabe der Gebeine an Palau (Protokoll: Kopfnicken des anwesenden Repräsentanten des Inselstaats).

Apropos, und um dies einmal voranzustellen, möchte ich Sie und Euch, soweit es Sie und Euch betrifft, herzlich bitten, Ihren und Euren freiwilligen Verpflichtungen, die Mitgliedbeiträge und zugesprochenen Groß- und Kleinspenden zu entrichten, nachzukommen. Herzlichen Dank hierfür! Unser Weltbund ist nicht nur, aber selbstverständlich auch auf eine gute und solide Finanzierung angewiesen, na klar! Unsere Rechnungsführerin wird hiervon in diesen Tagen noch ausführlich berichten und gerne alle diesbezüglichen Fragen in einer Sondersitzung beantworten.

Worum, meine sehr verehrten Damen und Herren, ebenfalls anwesende und freudig begrüßte Schwule, Lesben, Transpersonen sowie Nicht-Binäre, geht es also heute auf unserer Hauptversammlung, die zum ersten und möglicherweise letzten Mal stattfindet, was uns in der Tat alle sehr stolz macht und anspornt, aber eben auch extrem anspannt? Wir brauchen mehr als dringend Resultate!


Das Welt, die Zeit ist, wie es bei Shakespeares Hamlet schon anklingt, aus den Fugen geraten und befindet sich in einem krassen Ausnahmezustand. Während sich im nahen und fernen Kosmos Meteoriten und menschengemachte, metallische Objekte sammeln, um in unschöner und sich akkumulierender Regelmäßigkeit auf unserer Erde einzuschlagen, führen wir „unten“ heiße Kriege, die in Stellung gebrachten Waffen verrichten ihr tödliches Geschäft immer effizienter. Über uns schwebt das strafende Schwert des atomaren Overkills und droht uns zu vernichten.

Wir zerfleddern die Ozonschicht mit aufsteigenden Gasen, füllen die Flüsse, Meere und Stadtrandzonen mit Unrat und Giften, wir quälen und vernichten die Tiere, unsere eigenen letzten Vorfahren auf den Bäumen inbegriffen. Die Ernten fallen aus, Mangelerscheinungen lassen unsere Skelette hervortreten und blähen unsere Bäuche auf. Der Sensenmann geht geharnischter und strotzender denn je durch unsere Reihen und ans böse Werk. Wir Menschen, und ich meine uns alle, all die gerade acht Milliarden, verhalten uns wie Berserker und Berserkerinnen, wie Wüteriche, in unserem penetranten Eigensinn Mutter und Vater Natur gegenüber. Das kann, so viel ist klar, bei einem Weiter so nur vollends schiefgehen. Dann gute Nacht!

Ja, das Mond, wohin wir in Kürze wieder verstärkt aufbrechen werden, sieht noch gelassen und noch leuchtend zu!  Bis dato gibt es dort keine Tankstation für unseren Weg zu anderen Planeten, aber wohl bald! Und ja, die einst gutmütige Sonne beweist uns leider immer mehr ihre inzwischen verheerende Strahlkraft. Zu viel des Guten! Sie kann aber nichts dafür, wirklich nicht! 

Wasser, unser aller Lebenselixier, verflüchtigt sich in andere Zustände und Sphären, es wird knapper und knapper. Uns dürstet in der wachsenden Wüstenei, kaum dass wir noch zu schwitzen in der Lage sind – trotz all der Hitzeplagen. Zugleich machen rauschende Sturzfluten uns in vielen Gegenden über Nacht obdachlos. Das dramatische Sinken der Titanic ist ein Klacks im Vergleich zu dem, was uns allerorten droht und bereits passiert. Aber erinnern wir uns ruhig! Erinnern wir uns an Jack and Rose, das Liebespaar vorne am Bug des riesigen Schiffs, die Arme gestreckt in einer doppelten Galionsfigur, die zärtelnden Hände, der lange Kuss! 

You are safe in my heart and
my heart will go on and on

Dann der Eisberg, das Wasser, der schwimmende Türrahmen und alles war vorbei. Ja, ich weiß, es ist nur ein Film, aber es ist eben auch geschehen. 1514 Tote.

Und auch dies ist leider bittere Realität: Millionen von uns schnappen verzweifelt nach Luft und sehen sich dem Tod nahe, indem schreckliche Viren unsere Atemorgane zerfurchen und sich immer aggressiver verbreiten. Zu Viele haben wir schon verloren! Die Pandemien werden zum Pandämonium. „Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand“, mahnte schon Theodor Fontane in einem seiner Gedichte. Auch wenn er hierbei gewiss nicht an die kaputte Ozonschicht, den Weltraumschrott, Wildtier-Märkte oder Labore dachte.

Was können, was müssen wir also tun, um dem großen Crash, dem Armageddon, zu entgehen? Welche Gestalt sollte der globale Wumms annehmen, den wir zur Rettung brauchen? Gewiss bedarf es auch verfeinerter Methoden des klimaneutralen Umbaus, aber welche davon sind tauglich und zielführend?

Nun, das sollen Sie, sollt Ihr hier im „Club der Weisen“ Versammelten als großes und entscheidungsnahes, sozusagen ultimatives Weltprojekt herausfinden und konzipieren. Vergessen wir dabei bitte nicht, dass wir einvernehmlich von der Erkenntnis ausgehen wollen, dass wir die Herzen der Menschen angesichts der desolaten Lage aufwühlen, ihren Verstand wachrütteln und ihr Verhalten in die richtigen und lebenserhaltenden Bahnen lenken müssen. Nicht mit Gewalt, nein, das nicht, sondern besser mit einem, ich würde sagen, verständigen, jedoch beherzten Nudging, wie es die Verhaltensökonomen und -ökonominnen seit längerem vorschlagen, also mit Schubsern und Schüben, einer Art von sanftem Zwang, der als solcher möglichst wenig wahrgenommen werden soll, falls Sie mich verstehen, verehrte Da…(Protokoll: Redner hüstelt), ich erspare mir jetzt die lange Anrede, sehen Sie mir dies, seht es mir bitte nach! 

Ja, wir vom Earth First Club mit seinen vielen Anhängern und Anhängerinnen, Förderern und Fördererinnen sind überzeugt, dass Rettung und Heil nur und ausschließlich dann möglich sind, wenn wir Menschentiere unsere Blicke wieder senken angesichts der weltkreatürlichen und dem Kosmos innerten Kraft, wenn wir wieder demütig werden und jedweder Hybris in uns und den Anderen den Kampf ansagen, ja diesen auch konsequent ausfechten. Die verdienstvollen Wissenschaften liefern uns täglich die Daten, Fakten, Sachverhalte und Wirkungszusammenhänge. Sie zeigen das Desaster in seinen vielfältigen Facetten evidenzbasiert auf. 

Lasst uns, lassen Sie uns also in wohlverstandenem Sinne wieder gebeugt und mit Asche auf unseren Häuptern gehen! Der aufrechte Gang, den der berühmte deutsche Philosoph Ernst Bloch, das Gott hab ihn selig, noch auf seine Fahnen geschrieben hatte, ist erst einmal ad acta zu legen. Es geht ums pure Überleben. Für soziale Utopien, für alte aufklärerische Ideen und Träume ist jetzt kein Platz, keine Zeit mehr. Wohl wahr ist:  Wir sind Echsen, ja Kakerlaken der Schöpfung! 

Welchen entscheidungsrelevanten Themen wollen und müssen wir uns jetzt in sicherlich schweißtreibender Arbeit also widmen? Ich sage „schweißtreibend“? Etwas lässlich gewiss, dies so zu benennen, das gebe ich zu. Denn immerhin wabert in unseren Versammlungsräumen der würzige Duft lokalen Edelholzes und diese sind wirksam mit Schattenspendern und Air Condition ausgestattet. (Protokollvermerk: Der Vorsitzende kann sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen)

Unsere Vorbereitungskommission war in den letzten Monaten sehr engagiert tätig und schlägt nunmehr folgende Szenarien und Tasks zur geflissentlichen Befassung vor, wobei auch drei renommierte Speaker als spezielle Gäste zum Einsatz kommen, die sich ab morgen zu uns gesellen werden. Diese sind Greta Thunberg, Yuval Harari und Elon Musk, sie seien von dieser Stelle aus schon einmal herzlich willkommen geheißen (Protokoll: Beifall). Jetzt also der Reihe nach die stipulierten Topoi, wenn nicht gar Dystopoi, als da sind:

☺ Junge Generation, Klima- und Kulturwandel
      (Special Guest und Speaker: Greta Thunberg)
☺ Kriege, Waffenproduktion und Klima
☺ Umwelterhaltung als Geschäftsmodell
☺ Armut und Demut
☺ Gottmensch, Cyborg, Bestien
      (Special Guest und Speaker: Yuval Harari)
☺ Schnöder Mammon und Misere
☺ Energie als Luxusstoff
☺ Irdischer Dreck und All-Müll
☺ Durchbruch und Aufbruch zu fernen Erden
      (Special Guest und Speaker: Elon Musk)
☺ Inferno und göttliche Komödie

Auf der Ergebnisebene werden von Ihnen, von Euch tragfähige, handlungs-orientierte und praxisnahe Vorschläge erwartet, bitte, gerne, danke, die wir dann unter dem Motto: „Den Wandel zum Guten in uns allen vorantreiben“ im Plenum debattieren werden. Ein kompetentes und sensitives Psycho-logen.innen-Team wird uns hierbei mit animatorischen Impulsen und spannenden Übungen zur Seite stehen.

In diesem Sinne komme ich allmählich zum Schluss meiner Grußnote an Sie, an Euch. Ich wünsche unserer Arbeit in den kommenden Tagen viel Licht ohne jede Lichtverschmutzung, okay kleiner Scherz von mir, I beg your pardon, und ein gedeihliches Gelingen zum Segen der Menschheit. 

Unser Supervisoren-Team haben wir genderorientiert in einem sehr weit ausgelegten Sinne zusammengestellt. Bitte übernehmen Sie, liebes Team, gleich morgen früh das Rudel, äh pardon, das Ruder zwecks Aufteilung in die Arbeitsgruppen und Supervision der Gruppenarbeit. Wir sehen uns dann in drei Tagen in gemeinsamer Runde wieder, um den Powerpoint-Berichten und -Ergebnissen der Gruppenleitungen zu lauschen und in der Folge wirksame Maßnahmen spornstreichs zu verabschieden und bei den zuständigen Regierungen weltweit zu implementieren. Das sind wir der Natur, der Erde und der Menschheit schuldig. Die Uhren rasen und drohen, wie in den Bildern des großartigen Salvador Dalí, zu schmelzen und sich zu verbiegen. Holen wir den in den dunklen Schacht des Brunnens gefallenen Goldball namens Erde zurück ans Licht! (Protokoll: Der/die Vorsitzende schnieft gerührt, ein Biotüchlein wird rasch gereicht)

Haben Sie herzlichen Dank, habt eine gute Zeit in unserem „Workshop der finalen Option“! Unser schallender Mut der Verzweiflung-Ruf, man/frau/enbie mögen ihn bitte nicht vergessen, sei fortan kurz, schlicht und bündig: NOCH!  Noch ist Zeit. Noch ist nicht aller Tage Abend.

Das Bankett mit einem diversen und nachhaltigen Büffet lokaler und internationaler Köstlichkeiten, mit Musik und Tanz unserer palauischen Brüder und Schwestern in der lauen und reinen Luft auf der Terrasse am Strand ist nun eröffnet, der disponierte Service in Weiß wartet schon auf launige Kundschaft! 

Hic Rhodus, hic salta! Zur Attacke!  
Let´s go! Tatou agai i luma! 
Auf bald!

(Enthusiastischer Applaus, begleitet von dröhnenden Trommelwirbeln und dem fröhlichen Gepfeife von Nasenflöten im Hintergrund, während NOCH in golden prangenden Lettern über der Saalpforte blinkend aufleuchtet) 

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