Höchste Eisenbahn – Robo, Malio und die Dreiundzwanzig

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Robo, der kleine Junge, hob beide Arme in die Luft und winkte heftig. Er war aber groß, schlau und stark, weil er, seit es ihn gab, immer schon gerne Eis, Bananen und ganz viel Knacksalat gegessen hat. Und lange Nudeln mochte er auch, am liebsten Glasnudeln, am besten mit Sojasauce, Pilzen und Erdnusscreme! Aber hier an der Haltestelle war es heute wieder mal schrecklich, einfach schrecklich. Jedenfalls für ihn. So ein Mist!  Hier fühlte er sich wirklich klein.

Die Straßenbahn war wie immer angetuckert, er schrie sich die Seele aus dem Leib, aber der Fahrer der Bahn sah ihn nicht. Oder sah er ihn vielleicht doch und wollte ihn nur nicht mitnehmen, fragte Robo sich. Das wäre böse, dachte er. Aber immer wieder war ihm das passiert. Vielleicht schon fünf Mal oder sieben Mal. Die Bahn von der Stadtbücherei zum großen Platz nahe beim Fluss hielt einfach nicht an, wenn er wartend dastand, obwohl sie meistens ganz leer war. Na ja, fast leer. Gerade mal drei Leute drin, zählte Robo rasch mit, während die weiß-orangene Bahn an ihm vorbeifuhr. Dabei hatte er doch ein Ticket bei sich.

Heidelberger Streckennetz
„Heidelberger Streckennetz“, Marlon Lio, 17.04.2021

Zwei oder drei Mal hatte die Bahn sogar angehalten, als er wieder mal wartete. Aber der Fahrer mit seiner Kappe guckte bloß wie doof in seine Richtung, schien ihn irgendwie nicht zu sehen und machte vor allem die Tür nicht auf, wo er stand. Niemand machte ihm irgendeine Tür auf! Keine Bahn war für ihn da. Auch diesmal nicht. Robo klopfte an die Türen, und an seiner glitzernden Eisenjacke blinkte es rot auf, weil er so aufgeregt war. Vergeblich! Ich soll, ich darf nicht mitfahren. Nie darf ich mitfahren, verflixt, dachte er und jetzt fing es auch noch zu regnen an.

Ich bin so traurig! Warum lassen die mich nicht mitfahren? Er war doch schon sechs Jahre alt und eigentlich ein lieber Junge, der niemandem weh tat und sehr achtsam war, dachte er jedenfalls. Er war diesmal so traurig, dass ihm ein paar Tränenperlchen aus den glasigen Augen kullerten, die klimpernd auf den Boden fielen, dort zerplatzten und sich mit den Regentropfen vermischten. Das kann so nicht weitergehen, sagte er zu sich. Ich bin noch nie gefahren. Ich will auch mal fahren. Das wäre soooooo schön! Es ist einfach ungerecht, dass mich niemand mitnimmt. Ich bin doch kein Taschendieb. Und sogar solche Leute fahren ja manchmal Bahn, verflixt!

Da kam ihm plötzlich eine Idee, während er sich am Kopf kratzte, der gar nicht juckte. Ich weiß doch, es gibt ja auch Busse. Ich werde es beim nächsten Mal mit einem Bus versuchen, heute ist es schon zu spät, gleich wird es dunkel, ich muss los, ich habe noch gar nichts gegessen, ich bin so hungrig. Das wird sicher gut werden mit dem Bus! Wieso habe ich das nicht längst so gemacht? Morgen versuche ich es. Gut, die Bahn nimmt mich nicht mit, dann fahre ich halt Bus, dachte er vergnügt und freute sich über seinen neuen Plan.

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