Frisst die Revolution immer ihre Kinder?

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Es gibt Bücher, die mich klar im Denken beeinflusst haben, ohne dass ich
dies nach so vielen Jahren aus dem Stand noch rekonstruieren könnte. Ein
solches Buch ist André Malraux´ „So lebt der Mensch“ (La condition
humaine). Ich musste also nachschlagen, um nachträglich herauszufinden,
was mich bei der Lektüre dieses Romans so sehr beeindruckt hatte.


Schauplatz des Stoffs ist Shanghai, wo im März 1927 kommunistische
Arbeiter einen Aufstand begingen. Ihr Anführer war Zhou Enlai. Der
Gegenspieler Chiang Kai-shek ließ den Aufstand blutig niederschlagen.
Den Gang der maoistischen Revolution, die schließlich 1949 siegte, konnte
dies nicht aufhalten. Der Roman beschreibt aus existenzialistischer
Sichtweise das Drama einzelner, miteinander verbundener Personen, die in
den Sog der politischen Umbrüche jener Jahre in China gerieten.

Knapp 20 Jahre nach dem Sieg des Maoismus in China las ich dieses
Buch, um mich mit der Frage der Legitimität der Revolution näher zu
beschäftigen. Der spätere Verlauf der chinesischen Revolution,
insbesondere der blutigen Kulturrevolution, hat mich dann rasch vom
Maoismus noch weiter weggeführt, dem ich sowieso nicht sonderlich
nahestand. Ich glaube, die Revolution gegen ein verrottetes und korruptes
Regime war legitim, aber ganz im Sinne der Leitidee eines anderen Buchs
hat am Ende die Revolution ihre eigenen Kinder gefressen (Mnacko, Wie
die Macht schmeckt).

Ladislav Mnacko, ein slowakischer Schriftsteller, behandelt das Thema
anhand der Geschichte seines eigenen Landes. Es geht um einen
sozialistischen Karriere-Politiker, der als ethischer Revolutionär zu kämpfen
begann, sich allmählich in die höchsten Höhen der Macht emporschwingt
und dabei immer skrupelloser und korrupter wird. Am Ende lebt er
vereinsamt und voller Angst vor seine ihm ähnlichen Rivalen, die sich
derselben Ideologie verpflichtet fühlen. Die Revolution fraß ihre Kinder.
Dazu passt auch der bittere Film „Das Geständnis“ von Costa Gavras mit
Yves Montand und Simone Signoret in den Hauptrollen.

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